Mittwoch, 30. April 2008

Auf der Zielgeraden

Nein, nein, nein. Wir sind weder vom Toeff gefallen, noch in Goa mit filzigen Haaren in den Palmen haegengeblieben und schon gar nicht (warum eigentlich NICHT?!) mit einer indischen Beauty durchgebrannt. Balls on Steel are very much alive and rolling!

Was wir in der zweimonatigen Schreibabsenz getrieben haben? 'Ne ganze Menge!

Die erste Huerde nahmen wir bereits in Mumbai, wo wir den Blog zuletzt verlassen haben. Mit Jeff (USA) und Yoav (ISR) im Team Royal Enfield startete euer Team Yamaha Richtung Goa. Aber aus einer 20 Mio-Stadt mit chronischem Stau den Weg nach Sueden zu finden, ist gar nicht so einfach. Es blieb uns nichts anderes uebrig als um vier Uhr morgens zu starten und auch dann brauchten wir noch geschlagene zwei Stunden bis zur Stadtgrenze!

Die Kuestenstrasse nach Goa war wunderschoen huegelig, kurvenreich und wir genossen das Fahren im tropischen Klima. Team Royal Enfield hatte einen guten Start erwischt, doch nach der ersten Etappe leider technische Defekte: Ruecklicht und Kupplungspedal auf der Fahrt verloren und dann noch Pobleme beim Kick-Starten der Maschine. Team Yamaha schaltete einen Gang runter und lachte sich heimlich in Faeustchen. Auf der zweiten Etappe kam dann aber der Rueckschlag fuer Team Yamaha: Auf dem brennend heissem Asphalt wurden die Reifen butterweich und an einem einzigen Tag musste Team Yamaha drei platte Reifen reparieren. Tja, wer zuletzt lacht...





Total erschoepft erreichten wir so kurz vor Goa einen einsamen Strand und goennten uns die ersten frischen Fische. Ende Februar erreichten wir Vagator Beach in Goa, das Epizentrum der Goa-Nachtschwaermer. Goa hat sich seit dem letzten Besuch (Dario 2000) besonders hinsichtlich Parties veraendert. Goa fokusiert sich neu v.a. auf Pauschaltouristen und reicheres Klientel. Unerwuenscht sind Backpackers, Hippies und Budget-Reisende. Folge: Guenstige Strandhuetten wurden limitiert, Outdoor-Parties generell verboten, Polizeipraesenz erhoeht und Visarestriktionen verhaengt. Das Problem: die Party-Meute kommt dennoch in Scharen und Goa lebt von seinem legendaeren Ruf als Hippie/Trance/Rainbow/Chillout/Charras-oder-was-fuer-ein-Label-man-auch-geben-mag. Fazit: same same but different. Die Parties sind entweder indoor (!!) oder illegal outdoor. Die Polizei ist korrupt wie immer und wer das noetige Kleingeld aufbringt, darf Parties veranstalten.



Goa ist der einzige Bundesstaat Indiens, wo Christen in der Ueberzahl sind. Das macht Goa zu einem besonderen Ort und manchmal scheint es, man sei gar nicht in Indien. Kirchen wohin man schaut, Inder mit portugiesischen Namen, Multi-Kulti-Kueche statt Dal und Reis. Die Atmosphaere ist relaxt und immer mehr Inder kommen deshalb nach Goa in die Flitterwochen und Ferien. Waren vor sieben Jahren noch die Israelis die dominierende Auslaendergruppe, hat sich das Blatt nun gewendet. Achtung Freunde: die Russen kommen! Im Sueden Goas hoert man russisch wohin man geht. Die Einheimischen koennen teilweise besser russisch als englisch. Goa ist der Renner bei den Russen und speziell bei den Moscowiten.



Wie genossen die Woche in Goa, spielten tagsueber Fresbie am Strand, naschten Mangos vom Baum, assen italienisch, goan, israelisch, veganisch, franzoesisch und durchtanzten die Naechte. Die meisten Leute, die wir trafen, verbringen den ganzen Winter in Goa. Viele kommen jedes Jahr im Oktober und bleiben bis im Maerz. Damit wir nicht das gleiche Schicksal erleben, verliessen wir nach einer Woche Goa und fuhren in den Sueden.

Da wir zwar von Goa, nicht aber vom Strand genug hatten, fuhren wir nach Gokarna im Bundesstaat Karnataka. Unser Ziel war Paradise Beach, ein abgelegener Strand, der nur mit einem Boot zu erreichen ist. Im Paradies angekommen suchten wir uns zwi schoene Palmen und spannten unsere Haengematten. Eine Woche lagen wir so unter freiem Himmel, assen gegrillten Koenigsfisch, schluerften Kokosnuesse und schwammen in der Nacht im funkelnden Plankton. Zum Schluss bescherte uns Petrus noch ein fulminantes Spektakel. Innert 10 Minuten verwandelte sich der wolkenlose Himmel in eine gewaltige schwarze Wolkenfront. Der Wind fegte orkanmaessig ueber uns und mit lautem Donner und Blitz prasselte der Regen auf uns nieder. Im Nu war alles unter Wasser, nichts blieb verschont. Wir konnten nur ahnen wie gewaltig die Monsoonregen im Juli sein muessen. So schnell wie das Gewitter kam, war es dann auch weg. Das Licht im abziehenden Regen war unbeschreiblich und der Urwald um uns bekam durch den Regen ein neues Gesicht. Robinson Crusoe total!




Zurueck in Gokarna stellten wir mit Schrecken fest, dass unser indisches Visa in wenigen Wochen endet. Uns blieb nichts anderes uebrig als einen Flug in ein Nachbarland zu buchen um dort ein neues Visa zu beantragen. So kam es, dass sich Balls on Steel nach fuenf Monaten zum ersten Mal trennten, denn Hannes flog nach Sri Lanka, waehrend ich nach Thailand flog um dort den lieben Luki zu treffen und eine Woche zu tauchen.

Mit neuen Visa ausgestattet trafen wir uns dann Anfang April gluecklich wieder im suedindischen Bangalore. Dort wohnten wir im 'Schweizer Chalet', denn Andi Gantenbein, ein Freund von Hannes, absolviert dort seinen Zivildienst. Doch Bangalore, das Sillicon Valley Indiens, war uns zu gross und modern und so fuhren wir bald ins noerdlich gelegene Hampi. Hampi ist ein wichtiges hinduistisches Pilgerzentrum, UNESCO-Welterbe und die Landschaft schlicht ausserirdisch. Das Kennzeichen Hampis sind seine zahlreichen Tempel und grossen Granitfelsen. Die Felsen liegen verstreut in der Landschaft als ob sie vom Himmel gefallen sind. Teilweise stapeln sich die Felsbrocken uebereinander und formen skurile Figuren. Es bleibt uns ein Raetsel, wie dies natuerlich geschehen sein soll - wir glauben vielmehr an die Theorie, dass die Goetter im Universum einen Metoriten-Weitwurfwettkampf veranstaltet haben.






Mit jedem Tag kletterte unterdessen das Quecksilber in ungekannte Hoehen. Als wir Hampi verliessen, war es mittags 40 Grad Celsius. Vorbei die Toeff-Zeiten mit Thermowaesche, 2 Pullovern, Sturmkappe und Motorradjacke! Stiefel und Helm tragen wir noch, ansonsten reisen wir beinahe wie indische Sadhus. Hannes hat uebrigens die Kunst des Feng Huis perfektioniert und die Haelfte seines Gepaecks hinter sich gelassen. Weniger ist mehr, besonders bei einer Motorradtour. Wenn wir schon beim Thema sind: Aisha und Hugo geht es gut (Ja richtig, unsere Motorraeder haben jetzt Namen). Schon erstaunlich, wir haetten nie gedacht, dass wir so eine enge Beziehung zu unseren Maschinen aufbauen koennten. Aber nachdem uns Aisha und Hugo ueber 17 000 Kilometer (fast) unfallfrei in einen neuen Kontinent getragen haben, aendert sich das Bewusstsein. Zudem sind die zwei staendig 'center of attention'. An jedem noch so kleinen Ort bildet sich innert Kuerze eine Menschentraube um die beiden. Lustigerweise sind die aufkommenden Fragen an jedem Ort gleich: Which brand ? How many cc ? Top speed ? Cost ? Mileage ? Disc brake ? Silencer ? By road ? Which countries ?

Voellig durchschwitzt und mit Sonnenbrand erreichten wir vor zwei Wochen die Ostkueste Indiens. Hier haben wir endgueltig die letzten Touristen hinter uns gelassen und tingelten von Dorf zu Dorf. Im Bundesstaat Orissa kamen wir zu einigen der letzten Stammesgebiete Indiens. Unser Dilemma: Wir wollten diese Menschen kennenlernen, aber wussten auch, dass wir ein Vorposten der Moderne sind. Viele Stammesvoelker wurden schon frueh von den Benediktinern konvertiert und als Gegenreaktion starteten die Hindus eine Rekrutierungswelle. Wir beschlossen deshalb, nicht in ihre Waelder zu fahren, sondern einfach nach 'Haats' Ausschau zu halten. 'Haats' sind woechentliche Maerkte wo sich die verschiedenen Staemme treffen und Gueter austauschen. Da zur gleichen Zeit noch ein Stammesfestival stattfand, waren viele Bewohner unterwegs, blockierten die Strassen mit selbstgebastelten Barrieren und verlangten Wegzoll. Auf einer Strecke von ca. 70 Kilometern wurden wir bestimmt 120 Mal gestoppt und wer keine Rupie bezahlte, wurde mit Farbpulver beworfen. So hatten wir doch noch die Gelegenheit, mit den Menschen in Kontakt zu kommen und konnten ihren Palm- und Dattelwein degustieren. Uebernachtet haben wir dann jeweils in einer groesseren Stadt. Mehrere Inder warnten uns in der Region vor wilden Tigern, die Menschen fressen. Das war natuerlich alles andere als die Wahrheit, denn die Region wurde schon vor langem fast leer gejagt. Deshalb fuhren wir zu einem der letzten grossen Nationalpaerke, wo es noch Tiger geben soll. Laut den letzten Zaehlungen sollen noch ca. 1000 Tiger, 500 wilde Elefanten und 100 Leoparden im Park leben. Aber das Glueck war nicht auf unserer Seite: wegen der starken Hitze standen grosse Teile des Parkes in Flammen und trieben die Tiere in unzugaengliches Gelaende.

Vom Nationalpark in Orissa fuhren wir Richtung Norden durch den Industriestaat Jharkhand. Stahl und Kohle ist hier das grosse Geschaeft. Die Landschaft ist eher kahl, die Staedte voll Smog, aber die Region ist wirtschaftlich eben enorm wichtig. TATA, die indische Automarke, hat ebenfalls ihren Sitz in Jharkhand. Falls euch TATA nichts sagt: die haben soeben Jaguar und Land-Rover gekauft und Mister TATA gehoert neben den indischen Stahl- und Energiebaronen Mital und Ambani zu den 8 reichsten Menschen der Welt. Doch auf dem Motorrad ist einem das ziemlich egal und wir wollten nur noch weg vom Smog und Dreck. So fuehrte uns die Reise nach Bodhgaya, dem gruenen Pilgerort im Bundesstaat Bihar. Bodhgaya ist der wichtigste buddhistische Pilgerort, denn vor 2600 Jahren meditierte dort Siddharta Gautama unter einem Bodhi-Baum und wurde so zum erleuchteten Buddha. Der Baum steht & lebt noch heute und bildet das spirituelle Zentrum. Bodhgaya war genau das richtige nach dem Schmutz von Jharkhand und ein wunderbarer Ort der Erholung.

Tja, und jetzt sind wir wohl zur letzten Etappe unserer Reise aufgebrochen: Varanasi, die Stadt von Shiva, die Stadt, die man entweder liebt oder hasst.

In drei Wochen kommen wir dann bereits nach Hause, wir koennen es nicht fassen, wie schnell die Zeit vorbei ging! Hannes und Dario gehen mit dem Flugi, Aisha und Hugo im Containerschiff von Mumbai nach Genua.

So long

Hannes & Dario

P.S.: Lord Shiva macht es uns in Varanasi nicht einfach: Seit 3 Tagen ist es nun schon 43-45 Grad Celsius!!!!! Wir sagen: 'Fried Balls on burning steel!'

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